Wem gehört die Stadt? Diese Frage stellt sich auch im Spiel Monopoly. Auch in "Planetary Urbanism + Learning City Gelsenkirchen" geht es darum.
Wem gehört die Stadt? Diese Frage stellt sich auch im Spiel Monopoly. Auch in "Planetary Urbanism + Learning City Gelsenkirchen" geht es darum. Foto: Monopoly Shoe by Rich Brooks via Flickr / CC BY 2.0

Neoliberale Stadtpolitik: Wem gehört die Stadt?

Die Ausstellung "Planetary Urbanism + Learning City Gelsenkirchen" beschäftigte sich in sechs Themenbereichen mit globalen Hausforderungen der Verstädterung. Teil 4 der Blog-Serie geht der Frage nach: Wem gehört die Stadt?

Schlossallee, Parkstraße, Bahnhofstraße - diese Orte kennen Sie vermutlich nicht nur aus ihrer Heimatstadt, sondern haben sie im berühmten Gesellschaftsspiel Monopoly bereits einmal besessen, damit spekuliert oder sie ihren Freunden abzukaufen versucht. Bei dem auf Konkurrenz und höchst mögliche Gewinne ausgelegten Spiel werden Stadtstraßen als wirtschaftliche Güter gehandelt, deren Lage ihren jeweiligen Wert bestimmt.

Diese Denkweise vertreten inzwischen nicht mehr nur Investoren, sondern auch Politik und Stadtverwaltungen, die in zunehmendem Maße städtisches Vermögen und öffentliche Aufgaben "auf den Markt" bringen. Die Idee dahinter – Haushaltssanierung durch Verkäufe, Entlastung der Kassen durch Vergabe an privatwirtschaftliche Unternehmen – folgt dabei neoliberalen Prinzipien, welche die Sicherung von Qualitäten und Funktionen der Stadt in die Hand der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit durch Konkurrenz legt. Diese Haltung ist nicht unumstritten: wenige Jahrzehnte nachdem neoliberale Ideen erstmals in die Stadtpolitik einflossen, machen sich ihre Auswirkungen häufig in Form der Benachteiligung sozialschwacher Bewohner bemerkbar.

Im Folgenden stellen wir kurz einige von diesen Entwicklungen betroffene Felder städtischen Lebens, die Motivation dahinter und mögliche Folgen vor.

Schlossallee, Parkstraße, Bahnhofstraße

Mietspiegel und Bodenpreise in den Innenstädten der Metropolen zeigen schon lange mehr als nur eine gute Lage als Geschäfts- und Wohnstandort, durch Anbindung, Kundenströme und eine gute Infrastruktur, an. Vielmehr werden sie selbst zum Geschäft: Die Stadt wird als Anlageobjekt begriffen und der guter Name eines Standorts ist für die Renditeerwartung mancherorts wichtiger als der tatsächliche Bedarf an Wohn- oder Geschäftsräumen. Von Großanlegern als Immobilieninvestment geplante Gebäude stehen häufig leer, da das Angebot am örtlichen Bedarf vorbei geht. Dem hochpreisigen Immobilienhandel ist diese Entwicklung nicht abträglich.

Den alteingesessenen Anwohnern hingegen schon, die sich ein Leben in der "eigenen Stadt" nicht mehr leisten können. Saskia Sassen, die US-amerikanische Soziologin und Globalisierungsforscherin, bezeichnet diese Trends als "Schattenseiten des neuen globalen Immobiliengeschäftes".

Dabei entsteht dichte und finanzoptimierte Investorenarchitektur, deren städtebauliche Qualität der Architekt Christoph Mäckler kritisiert: "Man stellt Häuser in mathematischen Verhältniszahlen von Gebäude- zu Grundstücksgröße zusammen, ohne Straßen und Plätze mit räumlich erlebbaren Proportionen als öffentliche Stadträume zu entwerfen."

Hauptbahnhof, Rathausplatz, Opernplatz

Seit den 1980er-Jahren werden öffentliche Verwaltungen zunehmend wie privatwirtschaftliche Unternehmen geführt. Nach dem Vorbild der niederländischen Stadt Tilburg werden Städte fortan nicht mehr verwaltet, sondern "gemanaged" – statt dem Gemeinwohl wird die Gewinnmaximierung zum Leitgedanken städtischen Handelns. Durch den Abbau von Bürokratie soll diese agiler agieren können und die Verwaltung soll der Idee nach bürgernahe Dienstleistunen erbringen.

Von dieser wirtschaftlichen Optimierung betroffen sind auch dem Selbstverständnis der europäischen Stadt nach bislang höchst demokratische Orte: In sogenannten "Business Improvement Districts" (BID) übernehmen ansässige Geschäfte Ordnung und Pflege des öffentlichen Raums und entlasten damit die städtischen Kassen. Neben einer als geschäftsfördernd betrachteten, hochwertigen Ausstattung obliegt den Unternehmen auch ein Hausrecht. Von diesem machen sie in Form von Verdrängung unerwünschter Personengruppen und abweichendem Verhalten Gebrauch. Alle Besucher sollen zu Kunden gemacht werden. Fragwürdig ist dabei nicht allein der Charakter eines erkauften Sperrbezirks, sondern auch auf welche Weise der die Öffentlichkeit von Stadträumen für privatwirtschaftliche Zwecke ausgehebelt wird.Siehe dazu auch den Artikel in der ZEIT zum BID.

Recht auf Stadt. Foto: by Tanja Djordjevic via Flickr / CC BY NC ND 2.0
Recht auf Stadt. Foto: by Tanja Djordjevic via Flickr / CC BY NC ND 2.0

Wasserwerk, Westbahnhof, Elektrizitätswerk

Dass Konkurrenz nicht nur Preise reguliert, sondern auch die Qualität des Angebots verbessern kann, ist eines der Versprechen von neoliberaler (Wirtschafts-)Politik. Mit dieser Begründung werden städtische Infrastruktur und öffentliche Versorgung an wirtschaftliche Betreiber vergeben. Und tatsächlich hat sich gezeigt, dass damit Wasserqualitäten erhöht und die Versorgung effizienter gestaltet werden kann.

Weitere Folgen der Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen zeigt der Ausstellungsbeitrag "Medellín – Human Right on Water". Das im Titel angesprochene Menschenrecht auf Wasser wird in der Kolumbianischen Stadt seit einer Teilprivatisierung des öffentlichen Versorgungsunternehmens nicht mehr jedem Einwohner zuteil.

Ähnlich schlechte Bilanzen zog auch die Stadt Berlin aus der Privatisierung ihres Wassernetzes – und kaufte es 2013 wieder zurück. Auch Bocholt, Hamburg und Stuttgart folgen mit dem Rückkauf ihrer städtischen Betriebe dieser als Rekommunalisierung bezeichneten Trendwende. Diese wendet sich gegen die negativen Folgen neoliberaler Politik, die den Städten zum Teil eigene Steuerungs- und Handlungsspielräume genommen hatte.

Poststraße, Turmstraße, Badstraße

Auch die günstigeren Straßen in Monopoly sind nicht vor einer wirtschaftlichen Vermarktung gefeit: dortiger Wohnraum wird ebenso zum Finanzkapital wie in teureren Gegenden. So auch in Dresden: Der Ausstellungsbeitrag "Dwellings" zeichnet die Folgen des Verkaufs des gesamten städtischen Wohnungsbestands an einen privaten Immobilienkonzern nach. Derartige Verkäufe sollen zwar der Haushaltssanierung dienen, haben jedoch einen Verlust von örtlichem Vermögen zur Folge, was sich beispielsweisebei auf zukünftige Kreditaufnahmen negativ auswirken kann. Zudem verspielen die Städte dadurch "ein wichtiges wohnungspolitisches Steuerungsinstrument", wie der Stadtsoziologe Andrej Holm zu bedenken gibt.

Mit der Vermarktung ehemals günstiger, häufig von Kreativen bewohnter und aufgewerteter Wohnlagen einher geht die sogenannte Gentrifizierung. Sie beschreibt den Austausch von Bewohnern durch eine finanzkräftigere Klientel, die sich in ehemaligen Szenevierteln niederlässt und auf diese Weise die ursprüngliche Bevölkerung verdrängt. Versuche, den sozialen Folgen dieser Entwicklung politisch, etwa mit Mietpreisbremsen, Einhalt zu gebieten zeigen angesichts des freien Marktes nur mäßigen Erfolg.

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